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„Massive Fehler in der Kommunikation“ – Bestsellerautor Kurt Langbein im Interview

Kurt Langbein

Der Autor, Filmemacher und Wissenschaftsjournalist im Interview zur Corona-Krisenkommunikation

Die letzten zwei Jahre waren geprägt von einem Thema: Corona-Virus. Und dieses hat gleichermaßen Unternehmen, Politik, Medien und Menschen beschäftigt. Im Alltag eine neue und zugleich unangenehme Erfahrung, aus Kommunikationssicht ein spektakuläres Ereignis und eine enorme Herausforderung. Verschiedene Informationen und Meinungen sorgen für Verwirrung und spalten die Gesellschaft. Wie ist rückblickend die politische Kommunikation zu beurteilen, welche Rolle spielen Vernunft und Glaubwürdigkeit und was haben die Medien mit dem Ganzen zu tun? Bestsellerautor Kurt Langbein wirft einen kritischen Blick auf die vergangene Zeit und beurteilt die Lage aus Kommunikationssicht.

Wie beurteilen Sie die Kommunikation von Politik und Wissenschaft der letzten 18 Monate, die von Wandel und Veränderung geprägt waren?

Kurt Langbein: Die österreichische Regierung und ihre Berater haben massive Fehler in der Kommunikation gemacht. Schon zu Beginn der Pandemie haben sie durch übertriebene Rigidität und Einsatz des Polizeiapparates erheblich zur tiefen Spaltung in der Bevölkerung beigetragen. Und leider wurde nur ein schmaler Teil der Wissenschaftler eingebunden. Die zweifelhafte Basis der ständig wechselnden Maßnahmen der Regierung sind mathematische Modelle. Aber es geht nicht um die Anzahl der Kontakte, sondern um das Setting, in dem sie stattfinden, betonen vernünftige Infektiologen und die WHO ebenso beharrlich wie vergeblich. Erst jetzt wird der Arbeitsplatz, wo wohl ein großer Teil der Ansteckungen passiert, einbezogen. Auch die Regierung und ihre Berater haben massive Fehler in der Kommunikation gemacht. Gerüchte und Fake News gab und gibt es immer.

Gespaltenes Österreich – kein Thema polarisiert aktuell mehr als die Corona-Maßnahmen. Wie kann aus Ihrer Sicht die Kommunikation diese Gräben überwinden?

Kurt Langbein: Führende Politiker und Medien müssen rasch aufhören Zweifel und Kritik ins Schwurbler-Eck zu schieben. Ein offener Dialog im Privaten wie in der Öffentlichkeit ist die einzige Chance, aber die Gräben sind tief.
Bei uns ist dagegen der Ausnahmezustand zum Regelfall verkommen. Grundrechte wurden zu Privilegien, die der Staat gibt oder nimmt. Viele scheren sich nicht darum, aber die Demokratie nimmt ebenso nachhaltig Schaden wie die Psyche der Menschen. Zwei Drittel der Jugendlichen und jungen Erwachsenen leiden an Angststörungen und Depressionen, ein verheerender Befund.

Wie heikel ist das Zusammenspiel von persönlichem Umfeld, öffentliche Meinung, Medien und Politik, wenn es um gesellschaftsrelevante Themen geht?

Kurt Langbein: Immer heikel. Aber uns ist Verständnis für Ängste und Respekt vor den Grundfesten der Demokratie abhandengekommen – die andere Meinung muss geachtet werden. Gerade weil es uns Menschen gelungen ist, so vielen Widrigkeiten des Schicksals Schnippchen zu schlagen, ertragen wir den Gedanken nicht mehr, am Schluss doch nichts anderes als Zweibeiner zu sein, die den Übermächten der Natur ausgeliefert sind, die wir bis zur Begünstigung von Pandemien zuvor zerstört haben. Und weil wir diesen Gedanken nicht ertragen, nehmen spätmoderne Menschen offenbar Zuflucht zu einem eher schlichten, mechanistischen Ursache-Wirkung-Verständnis der Natur.

Wenn wir über die Corona-Pandemie sprechen, gibt es hierbei noch so etwas wie Vernunft?

Kurt Langbein: Leider ist die auf seriöser, nicht von Interessen geprägte Evidenz beruhende wissenschaftliche Disput verloren gegangen. Nur der kann aber die Basis für die Rückkehr zur Vernunft sein. Es ist die Aufgabe der Gesundheits-Institutionen, hier wieder Grundlagen zu schaffen. Einschätzungen und Empfehlungen mit schwerwiegenden sozialen und gesundheitlichen Konsequenzen sollten nicht von Einzelpersonen getroffen werden, hier haben die Medien als Filter eine zentrale Verantwortung.

Was lernen wir aus Kommunikationsperspektive für die Zukunft?

Kurt Langbein: Wir sollten die Strategien der skandinavischen Länder studieren. Die Ursachen der Pandemie als Ergebnis der Zerstörung der Artenvielfalt durch den Menschen dürfen nicht mehr ausgespart bleiben.

 

 

Über Kurt Langbein: geb. 1953 in Budapest, studierte in Wien Soziologie. Zunächst Redakteur für TV-Reportagen im ORF, wurde er Leiter des Wissenschaftsressorts beim Nachrichtenmagazin profil. Seit 1992 ist der Sachbuchautor und Dokumentarfilmer geschäftsführender Gesellschafter der Produktionsfirma Langbein & Partner Media. Kurt Langbein ist unter anderem Autor des Bestsellers „Bittere Pillen“, einem der erfolgreichsten Sachbücher im deutschsprachigen Raum. 2013 wurde Kurt Langbein für seine engagierten und kritischen Fernsehbeiträge mit dem Axel-Corti-Preis ausgezeichnet.

Buchtipp: „Das Virus in uns. Motor der Evolution“ von Kurt Langbein und Elisabeth Tschachler
Bestsellerautor Kurt Langbein erzählt in seinem Buch gemeinsam mit Elisabeth Tschachler die minutiös recherchierte Geschichte der Corona- Pandemie: Wann und wo genau begann sie wirklich? Wie kamen Länder wie Südkorea ohne Lockdown durch die Krise? Und was lernen wir aus alldem – auch für die Zukunft? Zugleich ist das Buch ein echter Wissenschaftskrimi, denn die neuesten Erkenntnisse der noch relativ jungen Viren-Forschung sind atemberaubend: Stand das Virus womöglich am Anfang allen Lebens? Warum kann virenreiches Essen gesund sein? Die winzigen Eiweißpartikel, in die die Erbinformation verpackt ist, sind viel mehr als Bedrohung, sondern unerlässliche Architekten sämtlichen Lebens.

 

Titelbild Copyright: Langbein & Partner