Laura Hermann im Interview über Haltung in der Krise, Anpassungsfähigkeit in Veränderungsprozessen und was agiles Arbeiten für Unternehmen bringen kann.
Laura Hermann, Senior Agile Coach und Trainerin bei sinnvollFÜHREN, im Interview über Haltung in der Krise, Anpassungsfähigkeit in Veränderungsprozessen und was agiles Arbeiten für Unternehmen bringen kann.
Wir befinden uns in Zeiten des Wandels, die Corona-Krise ist und war wie ein großes Experiment für die Arbeitswelt. Welche Vorteile haben hier agile Arbeitsweisen gebracht?
Laura Hermann: Agilität heißt, sich auf immer wieder neue Rahmenbedingungen einzustellen und anzupassen. Im agilen Arbeiten gehen wir iterativ vor, das heißt Arbeitsprozesse in kurzen Zyklen zu gestalten, zu evaluieren und dann den Kurs entsprechend zu verändern oder beizubehalten. Kundenanforderungen, äußere Umstände und Ziele können sich verändern, darauf muss sich ein Team gemeinsam einstellen können.
Gibt es dazu vielleicht ein paar praktische Tipps?
Laura Hermann: Jedes Unternehmen muss für sich selbst definieren, ob agiles Arbeiten sinnvoll ist und was es für den unternehmenseigenen Kontext bedeutet. Richtwert sind immer die agilen Prinzipien, die sich um Werte und die Haltung drehen. Die Coronazeit ist ein treffendes Beispiel für schnell auftretende und auch gravierende Änderungen der Rahmenbedingungen. Diese haben nicht jeden gleich betroffen. Die Fragen „wie verändert sich mein Markt, meine Kundenbedürfnisse, die Gesellschaft?“ fanden unterschiedliche Antworten. Es kam darauf an, wie beweglich Unternehmen selbst sind, um Lösungen zu finden. Ob es der Gemüsehändler war, der ursprünglich nur die Gastronomie belieferte und dann beschloss, private Haushalte zu versorgen. Oder die Cocktailbar, die sich neue Konzepte wie Cocktails to go oder einen Lieferservice überlegte. Kleine Schritte in eine neue Richtung und viel Selbstreflexion mussten möglich sein, um aus der anfänglichen Schockstarre in die Lösung zu kommen.
Hast du in deiner Coachingtätigkeit einschneidende negative oder positive Veränderungen erfahren?
Laura Hermann: Ich bin bis dahin meistens zu den Kunden angereist, auch viel geflogen. Plötzlich war die Frage nach Online-Trainings da und wie diese Umstellung gelingt, ohne an Qualität in den Trainings zu verlieren. Zum Glück ist das gut gelungen. Wieder war es eine Frage der Haltung und die Einstellung „kooperieren statt konkurrieren“ war spürbar entscheidend für den Erfolg. Soviel produktiven Austausch und gegenseitige Unterstützung mit anderen Coaches und Trainer*innen habe ich vorher noch nie erlebt. Jeder hatte neue Erfahrungen, die er mit anderen teilen konnte und wollte und es wurde an einem Strang gezogen.
Gibt es neue Skills, die von Führungskräften gebraucht werden?
Laura Hermann: Es mag banal klingen, aber die Fähigkeiten zuzuhören, die Umgebung wahrnehmen, in Dialog und Reflexion gehen, werden mehr denn je gebraucht. Mitarbeitende ermuntern, sich mit Ideen einzubringen, ist in Zeiten des Wandels enorm wichtig. Offenheit, Vertrauen und Transparenz kommen nicht von selbst – wer als Führungskraft einen „safe space“ generieren kann, in dem sich alle im Team trauen, ihre Meinung zu sagen, profitiert am Ende auch von den besseren Lösungen.
Was bedeutet ein agiler Ansatz für die Art als Unternehmen zu kommunizieren?
Laura Hermann: In Veränderungsprozessen kommt es natürlich einmal stark auf die passende interne Kommunikation an, die kontinuierlich und in kleinen Häppchen stattfinden sollte. Sicherheit wurde in uns allen erschüttert – es brauchte laufende Information über den aktuellen Status und wie es weitergeht. Wie gehen wir als Team mit Veränderungen um? Wenn wir diese Frage als Unternehmen für uns schlüssig beantwortet haben und mit lösungsfokussierten Methoden daran arbeiten, können wir diese Aufbruchsstimmung auch wieder gut nach außen tragen. Umgekehrt sollte dieser Prozess auf keinen Fall stattfinden, sonst wird das wertvolle Vertrauen der Mitarbeitenden auf eine harte Probe gestellt.
Stichwort Anpassungsfähigkeit: Was sollten Unternehmen machen, was sie jetzt noch viel zu wenig machen?
Laura Hermann: Nutze dein eigenes Produkt, damit du früher begreifst, was es braucht.
Titelbild (c) Irene Neumayer