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Woke vs. Trash: So hat sich unser Fernsehverhalten verändert

Frau isst Popcorn vor dem Fernseher

Wir sehen nicht mehr fern wie vor zehn Jahren. Es haben sich nicht nur Alltagsgewohnheiten verändert – sondern auch TV-Formate.

Wir sehen nicht mehr so fern, wie vor zehn Jahren. Und zwar haben sich nicht nur Alltagsgewohnheiten verändert – die TV-Formate haben sich gewandelt. Die Ära des „greller, böser, skandalöser“-Fernsehens ist vorbei.

Wir schreiben das Jahr 2012. Im Fernsehen läuft „Saturday Night Fever“, „Extrem schön!“ und „Austria‘s Next Topmodel“. Das Motto der Reality-TV-Formate: Grenzüberschreitung. Mobbing, toxisches Verhalten, Homophobie und ein bedenkliches Frauenbild prägen den Fernsehabend. Zehn Jahre später: Diese und ähnliche Serien sind heute Geschichte oder wurden in die Spät-abends-Wiederholungsschleifen verbannt. Das sogenannte „Trash-TV“ ist heute meilenweit von den Entgleisungen der Vergangenheit entfernt.

 

Bye-Bye Dieter!

Auch die letzten Überbleibsel der alten TV-Ära sind nicht mehr das, was sie einmal waren: „Germany‘s Next Topmodell“ (oder kurz GNTM) rühmte sich zwar bei der letzten Staffel 2022 mit Zuschauerzahlen von zwei Millionen Menschen – vom Höchstwert aus dem Jahr 2009 mit 3,8 Millionen Zuschauer*innen ist es mittlerweile aber weit weg. Dem ehemaligen Branchen-Riesen „Deutschland sucht den Superstar“ erging es ähnlich und das Format wird nach 20 Staffeln nun endgültig eingestellt. Da halfen auch Dieter Bohlens bitterböse Sprüche nichts. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass gerade diese aus der Zeit gefallen wirken.

 

Gesellschaft im Wandel

Solche Sendungen sind in gewisser Weise ein Spiegel unserer Gesellschaft. Und mit dem wachsenden Bewusstsein für Themen wie Body-Positivity, Gleichberechtigung, Diversität und LGBTQ+-Rechte schossen sich gewisse Formate selbst ins Aus. Da hilft auch kein Jammern der Gegenbewegung, die hinter den aktuellen Entwicklungen die „Cancel Culture“ vermutet – also das Entfernen von politisch nicht korrekten Inhalten – und sie als Beschneidung der Meinungsfreiheit anprangert: Wer heute eines der alten Formate neu auf den Markt bringen würde, würde einen Shitstorm ernten. Und für die Fernsehsender noch schlimmer: Werbetreibende würden davon absehen, hier Werbung zu platzieren.

 

Bedenkliche Produktionsbedingungen

Es liegt allerdings nicht nur daran, dass die Bevölkerung mehr „woke“ ist, als in der Vergangenheit, sprich mehr Bewusstsein für problematische Inhalte entwickelt hat. Auch Enthüllungen über unterirdische, regelrecht menschenverachtende Produktionsbedingungen einiger dieser Formate leisten ihren Beitrag zum Sinneswandel. Von Jan Böhmermanns „Vera-Fake“ bei „Schwiegertochter gesucht“ bis hin zum von Ikke Hüftgold publik gemachten Skandal bei „Plötzlich arm, plötzlich reich“ – die schlechten Nachrichten rissen in den letzten Jahren nicht ab. Teilnehmer*innen der amerikanischen Variante von „Biggest Loser“ erklärten etwa, sie hätten Diät-Pillen einnehmen müssen oder hätten sich beim Versuch abzunehmen, dermaßen dehydriert, dass sie Blut urinierten. Und als Ex-GNTM-Teilnehmerin Lijana öffentlich gegen Heidi Klums Sendung wetterte – hier ging es um Vorwürfe wie Mobbing, Manipulation bis hin zur Gefährdung der Gesundheit (Wie etwa durch eingecremte und damit rutschige Füße vor einem Catwalk), wurde sie prompt verklagt.

 

Social Media: Trash durch die Hintertür

Die TV-Sender und Streaming-Services nehmen heute zunehmend Abstand von skandalösen Reality-Formaten. So will etwa RTL zukünftig vermehrt auf Informationssendungen setzen. Und schon jetzt geht der Trend hin zu Programmen, in denen sich Promis statt ahnungslose Privatpersonen durch den Kakao ziehen lassen. Das heißt aber nicht, dass Menschen keine problematischen Inhalte mehr konsumieren. Während sich die TV-Sender heute nicht mehr über gewisse Themen trauen, blühen diese auf Social Media auf. Statt „Versteckter Kamera“ gibt es „Pranks“, statt TV-Begleitung zum Schönheitschirurgen in der Wiener Innenstadt nehmen Influencer*innen ihre (zum Teil minderjährigen) Follower*innen mit zur Po-Vergrößerung ins Ausland. Vielleicht klopfen wir uns zu sehr als Gesellschaft auf die Schulter, wenn wir zurückblicken und sagen: „So etwas würde es heute nicht mehr geben“, während im Netz eben diese Inhalte fast gänzlich unreglementiert kursieren. Niemand hat den Trash entsorgt, er wurde einfach nur woanders abgeladen.

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