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Geschlechtervielfalt in Unternehmen? Inklusiv! Folge 2: Geschlechtervielfalt im Unternehmen

Geschlechtervielfalt

Eine geschlechtervielfältige Unternehmenskultur zu schaffen ist einfacher als oft angenommen. Kleine Gesten können viel verändern.

Über Geschlecht wird viel diskutiert. Und doch bleibt ein wichtiger Faktor oft aus: seine Vielfalt. Wir gehen meist davon aus, dass es nur die zwei Geschlechter Mann und Frau gibt. Dabei hat der Verfassungsgerichtshof bereits 2018 anerkannt, dass wissenschaftlich nicht mehr nur von den zwei Geschlechtern Mann und Frau ausgegangen werden kann. Wir können von einer Geschlechtervielfalt als alltäglicher Realität ausgehen: trans, inter* und nichtbinäre Menschen sind mitten unter uns. Was bedeutet das für Unternehmen? Wie kann sich ein Unternehmen respektvoll für Geschlechtervielfalt öffnen? Welche Rolle spielt dabei Kommunikation?

Auf diese und weitere Fragen werden in einem Set von Blogbeiträgen eingegangen. Im ersten Teil der Blog-Trilogie wurden wissenschaftliche Hintergründe und wichtige Begriffe erklärt, in diesem Teil steht eine Unternehmenskultur im Mittelpunkt, die Geschlechtervielfalt respektvoll einbezieht.

Geschlechtervielfalt in Unternehmen

Geschlecht spielt also eine grundlegende Rolle und durchdringt alle Bereiche unseres Lebens, auch die Unternehmenskultur. Dabei steht nicht nur DE&I im Mittelpunkt, sondern alle Bereiche eines Unternehmens, insbesondere HR, PR, Raummanagement etc. Auch wenn wir es oft nicht wahrnehmen, spielt Geschlecht fast immer eine Rolle: in der Kaffeepause genauso wie im Vorstandsmeeting, im Kontakt mit Kund_innen genauso wie unter Mitarbeiter_innen, in PR und Beratung genauso wie bei Stellenausschreibung, Onboarding etc.

Es geht also um einen Veränderungsprozess in mehreren Bereichen eines Unternehmens. Eine geschlechtervielfältige Unternehmenskultur zu schaffen ist jedoch gar nicht so schwer wie oft angenommen wird. Kleine Gesten sowie räumliche Anpassungen erfordern wenig Aufwand und können bereits viel verändern. An dieser Stelle möchte ich drei Aspekte hervorheben:

  • strukturelle Vorgaben,
  • Raumgestaltung und
  • Kommunikation.

Gerade letztere spielt für Unternehmen eine große Rolle und durchzieht auch die anderen beiden Aspekte.

Was kann das Unternehmen tun?

Tipp 1: Repräsentation von Geschlechtervielfalt nach außen
Für Unternehmen ist Repräsentation im digitalen und analogen Raum eine gute Möglichkeit für unkomplizierte, aber wirkungsvolle Veränderungen. Wenn Geschlechtervielfalt etwa Teil Ihres Code of Conduct, Ihrer DE&I-Strategie oder Ähnlichem ist, machen Sie dies auf Ihrer Website, Ihren Drucksorten etc. sichtbar. Wenn Sie einen Abschnitt haben, in dem Sie benachteiligte oder unterrepräsentierte Personengruppen dezidiert benennen, nehmen Sie auch trans, inter* und nichtbinäre Personen auf. Falls Sie einen solchen Abschnitt bisher nicht haben, erweitern Sie ihn mit Geschlechtervielfalt. Bringen Sie dazu Beispiele, in welchen Bereichen Ihrer Arbeit Sie Geschlechtervielfalt auf welche Art und Weise berücksichtigen. Vielleicht haben Sie bereits einen Leitfaden zu trans_inter*nichtbinär-inklusiver Beratung ausgearbeitet? Stellen sie diesen auf der Website zur Verfügung und legen Sie Flyer oder Broschüren in den Räumlichkeiten auf.

Tipp 2: Kein „strukturbedingtes Outing“[1]
Ein wichtiges Thema für einen respektvollen Umgang mit trans, inter* und nichtbinären Personen ist ein sensibler Umgang mit dem amtlichen Geschlecht und Namen. Oft haben trans, inter* und nichtbinäre Personen in ihren Dokumenten Namen und Geschlechtseinträge, die sie selbst nicht verwenden oder die Sie mit ihrem äußeren Erscheinungsbild bzw. der Kleidung nicht in Verbindung bringen. Nicht immer ist es möglich, Zeugnisse etc. rückwirkend zu ändern. Auch die Stimme sagt nicht direkt etwas über das Geschlecht einer Person aus, schließen Sie daher am Telefon nicht von der Stimmhöhe auf das Geschlecht. Wenn Sie also Personen aufrufen, wählen Sie eine geschlechtsneutrale Anrede, z.B. den Nachnamen ohne „Herr“ oder „Frau“ davor oder „Die nächste Person“ statt „der/die Nächste“ oder die Person direkt ansprechen „Bitte kommen Sie mit mir mit.“

Tipp 3: Onboarding und Formulare
Ein weiteres Thema sind Formulare und Aufnahme in Dateisysteme oder Dokumentationssoftware. Oft ist das amtliche Geschlecht als einzige Option angezeigt und muss zwingend ausgefüllt werden. Zusätzlich wird Geschlecht an vielen Stellen abgefragt, an denen es nicht relevant ist. Fragen Sie sich also, ob Geschlecht an dieser Stelle überhaupt relevant ist oder (vor allem in Formularen und Dokumentationssoftware) unüberlegt und automatisiert abgefragt wird. Finden Sie heraus, welchen Spielraum Sie haben: Können Sie das Formular z.B. verändern und ein freies Feld anbieten, das die Personen in eigenen Worten ausfüllen können? Ist die Software so programmiert, dass die Geschlechtsabfrage optional eingestellt werden kann, statt als Pflichtantwort? Falls die Frage nach dem Geschlecht Ihrer persönlichen Neugier dient, überlegen Sie sich, ob Sie selber diese Frage beantworten wollen würden – solche Fragen stellen sich oft als übergriffig heraus.

Tipp 4: Raumgestaltung
Auch die Raumgestaltung ist ein wichtiger Faktor, um das Unternehmensklima trans_inter*nichtbinär-inklusiver zu gestalten: An erster Stelle stehen die Toiletten, Duschen und Umkleiden. Sie sind meist in die zwei Geschlechter Mann/Frau eingeteilt, manchmal gibt es eine dritte Toilette ohne Geschlechterzuordnung, die sog. ‚Behindertentoilette‘. Achten sie darauf, dass Sie mindestens eine geschlechtsneutrale, verschließbare Einzelkabine anbieten und dass alle Toiletten barrierefrei gestaltet sind.Wenn Sie Bücherregale haben oder Broschüren auslegen, ergänzen Sie diese mit Fachliteratur, Autobiografien und Broschüren zu Trans, Inter* und Nichtbinär in Unternehmen.

Wenn Sie Infomaterial auflegen, achten Sie darauf, dass dieses keine pathologisierenden Begriffe und Inhalte vermittelt, sondern geschlechtliche Vielfalt respektvoll darstellt und kompetent dazu informiert – auch solches von anderen Einrichtungen. Insbesondere, wenn Sie noch wenig Wissen zu und Umgang mit trans, inter* und nichtbinär-inklusiver Beratung haben, legen Sie Flyer und Folder von Peer-Beratungsstellen auf. Auf diese können Sie auch in Beratungen verweisen.

Tipp 5: Interne Schulungen und Beratungsworkshops
Damit alle im Unternehmen zum Thema Geschlecht und ihre Vielfalt gut informiert sind und wissen, wie sie in ihren Tätigkeiten trans, inter* und nichtbinäre Personen respektvoll behandeln, ist es wichtig, interne Schulungen anzubieten. Ich habe auch mit dem Format der Beratungsworkshops für Teams gute Erfahrungen gemacht: Nach der internen Schulung können sich einzelne Teams für einen 2-3-stündigen Workshop mit ganz konkreten, nach der Schulung aufgetauchten Fragen mit mir zusammensetzen, um eine einfache und praktikable Lösung für Detailfragen zu erarbeiten.

Was kann ich als Einzelperson tun?

Tipp 1: Geschlecht nicht vorwegnehmen
Einer der wichtigsten – und hilfreichsten – Aspekte bei trans-, inter*- und nichtbinär-inklusiver Unternehmenskultur ist es, Geschlecht nicht vorwegzunehmen. Wir können aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes schlicht und ergreifend nicht wissen, welches Geschlecht eine Person hat bzw. lebt. Dabei kann u.a. geschlechtsneutrale Sprache hilfreich sein (s. z.B. die Sprachbox für inklusivere Kommunikation der Universität Salzburg von 2023).

Tipp 2: Selbstbestimmung: Pronomen & Anrede klären
Weiters ist es wichtig, Selbstbestimmung den Vorrang zu geben, also das amtliche, von Medizin und Staat zugeordnete Geschlecht nicht als ‚das richtige‘ zu sehen, sondern Menschen selbst darüber bestimmen zu lassen. Hier sind u.a. respektvolles Nachfragen und Anerkennen der selbstbestimmten Pronomen und Vornamen wichtig.

Tipp 3: Reflexion des eigenen Geschlechterbildes
Schließlich ist eine offene und kritische Reflexion des eigenen Geschlechterbildes und wie dieses in die Unternehmenskultur einwirkt, ein wichtiger Schritt. Dabei unterstützen z.B. fundierte Vorträge und Weiterbildungskurse, moderierter Austausch mit anderen Kolleg_innen und eine professionelle Begleitung der Implementierung geschlechtervielfältiger Ansätze (zB von Gruppenpraxen und Einrichtungen).

Zweites Fazit

Geschlechtervielfalt ist ein wichtiger Teil unserer Welt und spielt auch in Unternehmen eine wichtige Rolle. Trans, inter* und nichtbinäre Personen haben unter anderem im Arbeitsleben mit vielen Hürden zu kämpfen, von denen gar nicht so wenige recht einfach beseitigt werden können. In den beiden Blogbeiträgen habe ich Tipps & Tricks dargestellt, die für eine erste Öffnung wenig Aufwand benötigen, aber wirksam sind.

Wichtig ist es dabei, keine unüberlegten und nur ästhetischen Handlungen zu setzen, sondern eine nachhaltige Veränderung zu starten. Wenn Sie etwa einen Regenbogen-Sticker auf die Türe oder ihre Website geben, zeigen Sie Ihren Mitarbeiter_innen und Kund_innen, dass Sie prinzipiell offen sind für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt. Wenn Sie dann aber in Ihren Räumlichkeiten nur zwei binärgeschlechtliche Toiletten haben, Menschen mit „Herr“ und „Frau“ aufrufen, ohne vorher nachzufragen, oder in Formularen nur die zwei Optionen „Mann“ oder „Frau“ zur Verfügung stellen, werden Sie Ihrem Versprechen nicht nachhaltig gerecht – und bieten Raum für unangenehme Situationen bis hin zu Diskriminierung. Dies ist nicht nur in der Kommunikation nach außen wichtig, sondern auch unternehmensintern und in Bezug auf die Räumlichkeiten, in denen Sie arbeiten. Für eine nachhaltige Implementierung ist es daher hilfreich, sich Expertise von außen zu holen, u.a. für

  • Erstellen, Evaluieren und/oder Aktualisieren eines Code of Conduct
  • Erstellen, Evaluieren und/oder Aktualisieren eines (Sprach-)Leitfadens
  • Aufbau eines inklusiveren Unternehmensklimas (z.B. breite Sensibilisierung und Akzeptanz von Geschlechtervielfalt durch Events, moderierten Austausch, interne Schulungen etc.)
  • Konzeptualisierung und/oder Erstellung interner Weiterbildungsformate in Bezug auf Diversity, Inklusion und Geschlechtervielfalt
  • KommunikationsBeratung in Bezug auf Geschlechtervielfalt

Sie sparen sich damit Zeit und Geld und den trans, inter* und nichtbinären, aber auch allen anderen Mitarbeiter_innen viel Ärger und Mehraufwand.

 

[1] Trans, inter* und nichtbinäre Personen erleben oft auch strukturbedingtes Outing, wenn sie sich z.B. mit Dokumenten bewerben müssen, bei denen Geschlecht und Name nicht geändert sind. (Vgl. Verein ][diskursiv, Transpersonen am österreichischen Arbeitsmarkt, 2008, S. 35) Link: https://diskursiv.diebin.at/uploads/media/transpersonenamoearbeitsmarkt_03.pdf

 

Sie möchten mehr dazu wissen, wie Vielfalt bei ikp gelebt wird? Lesen Sie hier über unsere Haltung.

 

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Autor: Mag. Dr. Persson Perry Baumgartinger | TransComm Das Büro für transformative Kommunikation