Philip Wamprechtsamer, Consultant bei ikp Wien, über die Bedeutung und Herausforderungen der digitalen Transparenz in der PR.
Transparenz wird in der PR-Praxis und -Fachliteratur häufig als ein ethisches Schlüsselprinzip verantwortungsvoller Öffentlichkeitsarbeit betrachtet. Unter dem Einfluss der Digitalisierung offenbaren sich jedoch zahlreiche praktische und ethische Herausforderungen im Hinblick auf einen verantwortungsbewussten Umgang mit Sichtbarkeit im digitalen Raum.
In Zeiten von politischen Skandalen und digitalem Aufdeckungsjournalismus mehren sich die Rufe nach mehr Transparenz zur Bekämpfung von Korruption und öffentlicher Verschleierung. Wenig verwunderlich plädieren auch die meisten PR-Praktiker*innen und -Wissenschaftler*innen für eine möglichst offene Kommunikation zwischen Organisationen und Stakeholdern. Transparenz sei demnach ein Garant für mehr Vertrauen sowie ein wünschenswertes Image. Diese ausschließlich positive Betrachtung von Transparenz kommt nicht von ungefähr, haben doch bereits berühmte Philosophen der Aufklärung – wie Jean-Jacques Rousseau und Immanuel Kant – Vorstellungen einer transparenten und aufgeklärten Gesellschaft gehegt. Insofern handelt es sich bei Transparenz um nichts Geringeres als einen Schlüsselbegriff der Moderne.
Durchblick behalten im digitalen Dschungel
Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung wird der unreflektierte Glaube an das „Allheilmittel“ der Transparenz jedoch gerade in intellektuellen Fachkreisen zunehmend infrage gestellt. Die Digitalisierung macht den Umgang sowie die Herstellung von Transparenz immer herausfordernder, da Kommunikator*innen mehr Daten, Informationen und Kommunikationskanäle zur Verfügung stehen. Im Licht dieser steigenden Komplexität wird diskutiert, inwieweit verschiedene Formen digitaler Transparenz auch problematische Konsequenzen hervorrufen können. Die Befürchtungen reichen von Informationsüberforderung und Überwachungsdystopien bis hin zum Vorwurf der inszenierten Pseudo-Transparenz.
Trotz dieser lebhaften Debatte bleibt oftmals ungeklärt, was denn überhaupt unter dem abstrakten Begriff der Transparenz im praktischen Sinn zu verstehen ist. Wie ich im Rahmen meiner wissenschaftlichen Forschung herausgearbeitet habe, handelt es sich bei Transparenz nicht um eine einfach beschreibbare Eigenschaft, sondern ein facettenreiches Konzept, das sich auf drei Dimensionen manifestiert: normative, instrumentelle und expressive Transparenz. Dabei wird deutlich, dass sich alle drei Transparenz-Verständnisse in der PR-Praxis widerspiegeln und unterschiedliche Chancen und Herausforderungen hervorbringen.
Die drei Dimensionen digitaler Transparenz
Normative Transparenz beruht auf der ethischen Idealvorstellung der öffentlichen Aufklärung. Insofern geht es dabei darum, einen transparenten und offenen Diskurs bzw. Dialog im digitalen Raum zu ermöglichen, wie z.B. beim Community Management auf Social Media. Damit dies gelingt, ist es notwendig, sich in die Lage der jeweiligen Dialoggruppe hineinzuversetzen und Informationsangebote so zu gestalten, dass diese verständlich und relevant sind. Eine Flut unstrukturierter Inhalte verursacht hingegen Intransparenz, da Adressat*innen nicht in der Lage sind, die entsprechenden Informationen angemessen zu verarbeiten. Diese strategische Intransparenz kann sich in weiterer Folge auch negativ auf das öffentliche Vertrauen von Organisationen auswirken.
Vorstellungen von Transparenz beruhen jedoch nicht nur auf gemeinschaftlicher Aushandlung, sondern ebenso auf Praktiken der Beobachtung und Kontrolle. Diese Eigenschaften werden durch das Konzept der instrumentellen Transparenz beschrieben. In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass die Digitalisierung in zweierlei Hinsicht Transparenz erzeugt: Einerseits werden Organisationen transparenter, da sie einem stärkeren öffentlichen Beobachtungsdruck ausgesetzt sind. Andererseits wird auch die Gesellschaft selbst immer gläserner, da Unternehmen eine Vielzahl an Daten über digitale Zielgruppen sammeln und auswerten. Um wechselseitigen Kontrollfantasien entgegenzuwirken, ist es notwendig, dass sich Kommunikationsverantwortliche in beiden Fällen bewusst mit den Grenzen von Transparenz (z.B. Datenschutz, Privatsphäre und Geschäftsgeheimnisse) auseinandersetzen und zugleich mögliche ethische Implikationen datengetriebener PR kritisch reflektieren.
Authentizität im digitalen Raum
Während die bisherigen beiden Dimensionen vor allem die Vermittlungs- und Kontrollfunktion von digitaler Transparenz in den Vordergrund stellen, geht es bei der expressiven Transparenz vielmehr um die Herstellung von Authentizität. Damit Botschaften auch als transparent, ehrlich und wahrhaftig wahrgenommen werden, ist es demnach notwendig, dass sie ebenso eine emotionale Qualität besitzen. Besonders anschaulich zeigt sich dies etwa bei diversen digitalen Influencer*innen, die durch ihre authentische Selbstdarstellung Gefühle der Offenheit und Transparenz hervorrufen. Um im digitalen Raum Transparenz auf eine glaubwürdige Art und Weise herzustellen, sollten Aufklärungsmaßnahme daher nicht nur inhaltlich informativ sein, sondern auch auf von authentischen Persönlichkeiten vermittelt werden. Im Idealfall kommen hierbei nicht nur Führungspersönlichkeiten, sondern auch ausgewählte Mitarbeiter*innen als Sprecher*innen zum Einsatz.
In der Praxis ergeben sich zahlreiche Herausforderungen beim Versuch, die drei Dimensionen von Transparenz zu berücksichtigen. Feststeht jedenfalls, dass Transparenz weder ausschließlich ein sakrosanktes Allheilmittel noch ein disziplinierendes Machtinstrument darstellt. Vielmehr handelt es sich um ein ambivalentes gesellschaftliches Ideal, mit dem sich professionelle Kommunikator*innen kritisch und differenziert auseinandersetzen sollten, um verschiedene Formen digitaler Sichtbarkeit verantwortungsbewusst zu managen.
Philip Wamprechtsamer ist Consultant bei ikp und schreibt derzeit an seiner Dissertation zum Thema Transparenz in der digitalen PR.
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