Influencer*innen bewerben Produkte und Unternehmen rauf und runter, der Markt wächst stetig weiter und die Auswahl an Content Creators ist riesengroß. Nina Pfuderer, Redakteurin und Trendforscherin vom Zukunftsinstitut, im Interview.
Eine Insta-Story hier, ein TikTok Video da – Influencer*innen bewerben Produkte und Unternehmen rauf und runter, der Markt wächst stetig weiter und die Auswahl an Content Creators ist riesengroß. Einige von ihnen sind zu richtigen Stars geworden, sie erreichen hunderttausende Menschen, wenn nicht sogar Millionen. Andere überzeugen wiederum mit einer äußerst aktiven Community, zählen aber nicht zur oberen Liga, wenn es um die Follower Anzahl geht. Micro- oder Macro-Influencer*innen? Keine Frage: Hier den Überblick bzw. die passende Wahl zu treffen, ist für Unternehmen nicht leicht. Wir gehen der Sache auf den Grund und haben Nina Pfuderer, Redakteurin und Trendforscherin vom Zukunftsinstitut, dazu interviewt. Doch so viel schon mal vorweg: Nicht die Größe des Influencers ist das Wichtigste, sondern die Übereinstimmung der Zielgruppe mit dem Publikum des Influencers.
Wie unterscheiden sich Macro- bzw. Micro-Influencer*innen voneinander – abgesehen von ihrer Reichweite?
Nina Pfuderer: Micro-Influencer*innen haben zwar weniger Follower*inner – aber dafür umso engagiertere. Influencer*innen mit einer nicht so hohen Reichweite haben nämlich oft eine sehr lebendige Community, die sich für das Leben und den Alltag der Influencer*innen interessiert und sich stark mit ihnen identifiziert. Außerdem können Micro-Influencer*innen besser auf die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Community eingehen und mit ihnen in Beziehung treten, indem sie beispielsweise Nachrichten beantworten oder die Community aktiv nach ihrer Meinung oder ihren Erfahrungen zu bestimmten Themen fragen. Micro-Influencing wirkt also oft authentischer, das Beziehungsverhältnis ist persönlicher, die Follower*innen fühlen sich enger verbunden.
Ist Ihrer Meinung nach die Vorherrschaft der großen Influencer Stars vorbei?
Nina Pfuderer: Wir erkennen einen Shift weg von dem perfekten Insta-Life – Follower*innen haben immer weniger Lust auf wunderschön gephotoshoppte Urlaubsfotos, Reels mit tollen (und teuren) Outfits und gestellte Unboxing Videos. Stattdessen suchen sie vermehrt nach echtem, authentischem Content und realen Bezugspunkten. Mikro Influencer*innen können besser auf diese neuen Bedürfnisse eingehen. Auf der neueren Plattform TikTok finden sich viel mehr Content Creator, die sich ungeschminkt zeigen, über Probleme sprechen oder politische Diskurse behandeln und mitprägen. Für Markenverantwortliche ist es oftmals besser, gemeinsam mit Mikro Influencer*innen bedeutsame Communitys um kleinere Audiences herum aufzubauen, anstatt mit bekannten Gesichtern zu werben.
Was ist ein Ausschlusskriterium für eine*n Influencer*in?
Nina Pfuderer: Wichtig ist vor allem die Passung zwischen Influencer*in, Community und den Inhalten, die auf dem Profil vermittelt werden. Wenn ein*e Influencer*in an einem Tag ein nachhaltiges festes Shampoo vorstellt und am nächsten Tag für billiges Plastikspielzeug wirbt, wirkt das unglaubwürdig. Es ist also wichtig, dass die Influencer*in ein klares Profil und eine inhaltliche Verbindung zur Zielgruppe haben, um die Glaubwürdigkeit einer Kampagne nicht zu untergraben.
Wie hat sich für Sie das Influencer Marketing im Allgemeinen in den letzten Jahren verändert?
Nina Pfuderer: Die Bildung von Consumer Tribes spielt eine immer wichtigere Rolle. Gruppen von Konsument*innen identifizieren sich miteinander durch kollektive Interessen, sei es Gaming, Akro-Yoga oder Veganismus. Tauschen sich Follower*innen einer Marke offen und intensiv über Produkte und Markenwerte aus und helfen sich gegenseitig, entsteht eine Gruppendynamik, die eine eigene Bedeutung gewinnt. Diese Meaningful Interactions sind Grundsteine positiver Meinungsbildung und damit entscheidende Erfolgsfaktoren des Community- und Influencer-Marketings.
Werthaltige Interaktionen innerhalb einer Community schaffen zudem eine langfristige Beziehung zwischen der Gruppe und der Marke oder dem Produkt. Statt immer wieder neue Follower*innen durch neue Influencer*innen anzusprechen und Überzeugungsarbeit zu leisten, kann sich hier die Beziehung innerhalb der Community etablieren. Die Mitglieder fühlen sich aufgehoben, sie finden Unterstützung und relevanten Austausch. Ist diese Basis einmal geschaffen, fällt das Marketing immer leichter. Denn wer einmal überzeugt ist, baut nach und nach Loyalität und Vertrauen zu einer Marke auf, ist für Produkte oder Services der Konkurrenz weniger empfänglich und empfiehlt die Produkte selbst weiter.
Wir sprechen in letzter Zeit auch oft vom Trend der „Sinnfluencer*innen“. Wo geht die Reise Ihrer Meinung nach noch hin?
Nina Pfuderer: Sinnfluencer*innen nutzen ihre Reichweite, um sinnstiftende Themen anzusprechen. Dabei bewegen sie sich allerdings oft in Spannungsfeldern und suchen die richtige Balance zwischen Nachhaltigkeit und Konsum. Für Sinnfluencer*innen ist es deshalb von großer Bedeutung, ihr Mindset klar und deutlich darzustellen und glaubwürdig hinter den Themen zu stehen, die sie über ihre Kanäle vermarkten.
Beschäftigen sich viele Sinnfluencer*innen momentan mit Umweltthemen wie dem Klimawandel, Lebensmittelverschwendung oder Müllvermeidung, so widmen sich andere inzwischen auch weiteren Facetten der Nachhaltigkeit und Sinnhaftigkeit wie soziale Gerechtigkeit oder Ungleichbehandlung zwischen Geschlechtern. Sinnfluencer*innen bewegen sich weg von individuellen Lifestyle-Themen und wenden sich sozialen und gesellschaftlichen Themen zu. In Zukunft wird sich auch eine spannende Vermischung von Influencing mit Info- und Edutainment beobachten lassen. Denn: Influence braucht Evidence.
Nina Pfuderer arbeitet für das Zukunftsinstitut als Redakteurin und Trendforscherin. Die Sprach- und Kulturwissenschaftlerin untersucht, wie sich Alltagsphänomene in unterschiedlichen Kulturen entwickeln und wie Sprache und Emotionen unsere Gesellschaft prägen.
(c) Pfuderer
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