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„Pinkwashing“ – Wie Unternehmen die Pridebewegung für Marketingzwecke nutzen

Pinkwashing

Während viele Unternehmen den Pride-Monat nutzen, um öffentlich Haltung für die LGBTQ+ zu zeigen, wird er von zu vielen zur Selbstdarstellung missbraucht.

Juni. Der sechste Monat im Jahr ist nicht nur die Blütezeit von Pfingstrosen, sondern auch die Hochsaison für Unternehmen, sich der Öffentlichkeit als modern, inklusiv und tolerant zu präsentieren. Während es vor dem Hintergrund der Stigmatisierung, Diskriminierung und Kriminalisierung der LGBTQ+-Gemeinde wichtig ist, auf Missstände hinzuweisen und sich publik für die Rechte dieser Menschen einzusetzen, wird der Pride-Monat von Unternehmen oft missbräuchlich dafür verwendet, Marketingkampagnen aufzufahren, um sich selbst gut darzustellen. Aus kommunikationsethischer Sicht ist das schwierig.

Sich als „Schwuchtel“ bezeichnen lassen zu müssen oder als lesbisches Paar gefragt zu werden, ob man denn nicht noch „Platz für einen Dritten im Bett“ habe – öffentliche Beleidigungen, Diskriminierung oder sogar Anfeindungen sind auch in den modernsten Gesellschaften, zu denen sich Österreich zählen darf, für Vertreter*innen der LGBTQ+-Gemeinde nach wie vor an der Tagesordnung. Das verwundert kaum, wenn man darüber nachdenkt, dass das Totalverbot von Homosexualität in Österreich erst vor 50 Jahren aufgehoben wurde. Für gleichgeschlechtliche Paare ist die eingetragene Partnerschaft erst seit rund 10 Jahren und die Ehe erst seit Jänner 2019 möglich.

Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, warum der Pride-Monat so wichtig ist: Um die Probleme der Community vor den Vorhang zu holen, die Vielfältigkeit unserer Bevölkerung sichtbar zu machen und gegen Ungerechtigkeiten zu protestieren. Auch viele Unternehmen nutzen diesen Anlass, um öffentlich Haltung zu zeigen und sich für schwule, lesbische, bi-sexuelle, transsexuelle oder queere Personen einzusetzen, zu denen nicht selten auch einige ihrer eigenen Mitarbeiter*innen gehören. Wenn diese Solidaritätsbekundung allerdings nur als Marketingstrategie erfolgt, kann das ganz schön nach hinten losgehen.

 

Nach Greenwashing kommt Pinkwashing

Dass Themen wie Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung und Chancengleichheit medial immer wieder im Fokus stehen und gesellschaftlich relevant sind, haben inzwischen viele Organisationen und Firmen erkannt. Während der Begriff „Greenwashing“, der PR-Methoden meint, die darauf abzielen, Unternehmen ein vermeintlich verantwortungsbewusstes und umweltfreundliches Image zu verleihen, allgemein schon sehr bekannt ist, ist die Bezeichnung „Pinkwashing“ eher neu. Ihren Ursprung fand diese in den frühen 2000er Jahren, als die Breast Cancer Association den Begriff dafür nutzte, Unternehmen anzuprangern, die Brustkrebskampagnen als Marketinghebel zur Steigerung der Bekanntheit nutzten. Heute bezeichnet „Pinkwashing“ oder auch „Purplewashing“ die Kommunikation über die vermeintliche Gleichberechtigung der Geschlechter und Strategien, um das eigene Unternehmen als weltoffen und divers zu positionieren. Das soll dazu beitragen, sich bei (potenziellen) Mitarbeiter*innen beliebt zu machen und neue Kunden anzulocken.

 

Shitstorm statt Beifall

Wer Aktionstage oder Aktionsmonate für kurzfristige Kommunikationskampagnen nutzt, schießt sich damit langfristig ins eigene Bein und riskiert einen großen Reputationsverlust, denn die Verbraucher*innen sind heute durchaus in der Lage, schnell zu erkennen, wenn sich hinter den Worten eines Unternehmens nur heiße Luft befindet. So reicht oft ein Blick hinter die Produkte, um zu erkennen, ob Organisationen auch intern strukturelle Veränderungen durchsetzen, Chancengleichheit schaffen und für eine Sensibilisierung in der Unternehmenskultur sorgen. Wer sein Logo nämlich ausschließlich im Pride Monat in Regenbogenfarben färbt und bunte Postings nur in dieser bestimmten Zeit für mehr Interaktionen und Reichweite postet, das restliche Jahr über die propagierten Werte aber wieder in den Keller packt, kann sich damit schnell in einen Shitstorm manövrieren.

Das musste auch der Sportartikelhersteller Nike am eigenen Leib erfahren, als er im Jahr 2018 seine „BETRUE-Kollektion“ auf den Markt brachte. Der löbliche Gedanke hinter der Kollektion, etwas zu entwerfen, mit dem Nike seine Unterstützung für LGBTQ+-Athlet*innen äußern kann, wurde von einigen Menschen hinterfragt, als aufkam, dass nur ein minimaler Bruchteil des Gewinns der doch sehr teuren Kollektion an Vereine gespendet wird.

Ein weiteres prominentes Beispiel ist Disney. Das Unternehmen zeigt sich nun schon seit Jahren bemüht, bei der Auswahl von Schauspieler*innen inklusiver zu werden und hat zu diesem Zweck auch die schwarze Community in seinem Streamingdienst Disney+ als Kategorie hervorgehoben. Erst letztes Jahr gab Disney in einer Pressemitteilung heraus, Inklusion zu einer der fünf Kriterien zu machen, die jede*r Mitarbeiter*in weltweit erfüllen muss. Wie ernst es dem Unternehmen mit diesem Anliegen war, zeigte sich schnell. Ganz am Ende des Films „Star Wars 9“ kommt es zu einem Kuss zwischen zwei Frauen, der nur rund zwei Sekunden dauert – und das nicht ohne Grund. Durch die strategische Platzierung dieser Szene am Ende des Filmes fiel es dem Unternehmen nämlich leichter, die Sequenz für Länder, die der Homosexualität weniger offen gegenüberstehen, rauszuschneiden. Dafür erntete Disney berechtigterweise Kritik. Natürlich gibt es auch positive Beispiele, wie es die Wiener Linien, True Fruits, IKEA , Nivea und viele mehr zeigen.

 

Regenbogensolidarität mehr als einmal im Jahr

Eines ist sicher: Es ist nicht leicht, als Unternehmen das richtige Maß zu finden, um Farbe zu bekennen. Einerseits sollte man sich solidarisch äußern, um die Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen- und Transgender Bewegung zu unterstützen, andererseits könnte so eine Aktion, wenn diese als PR-Aktion stattfindet, dem einen oder anderen sauer aufstoßen. Für Organisationen und Unternehmen aus der Kommunikationsbranche heißt das: Die Pride-Flagge ist kein Werbemittel, das man einmal jährlich hisst. Stattdessen sollte es darum gehen, seine Solidarität mit der Community ganzjährig zu zeigen und sich der eigentlichen Problematiken der LGBTQ+-Vertreter*innen anzunehmen. Ein ehrliches Bestreben und Engagement, diese zu integrieren und zu unterstützen, kann und soll dann auch gerne authentisch kommuniziert werden.

 

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Titelbild von Daniel James bei Unsplash