Programmatic Advertising nutzt die Interessen, Vorlieben und Daten der Konsument*innen, um Werbung zu individualisieren - wie sieht es dabei mit dem Datenschutz aus?
Programmatic Advertising nutzt die Interessen, Vorlieben und Daten der Konsument*innen, um Werbung zu individualisieren. Doch ist dieses Vorgehen überhaupt mit der Datenschutzgrundverordnung vereinbar? Und wie beurteilen Datenschutz-Expert*innen diese Form der Kommunikation? Dr. Axel Anderl, LL.M. & Alona Klammer, LL.B. (WU) LL.M. (WU), von DORDA Rechtsanwälte GmbH im Interview.
Jeder, der im Internet unterwegs ist, kennt das Phänomen: Man klickt sich auf einer Online-Shopping-Website durch die Kataloge und sieht sich ein Produkt genauer an. Kurze Zeit später tauchen Werbeanzeigen für genau dieses Produkt auf allen möglichen Webseiten auf – manch einer fühlt sich von der Werbeindustrie verfolgt. Das vermeintliche Online-Stalking ist aber erklärbar.
Im Programmatic Advertising werden in Echtzeit und komplett automatisiert Werbeflächen auf Webseiten in einem Auktions-Prinzip verkauft und eingekauft. Die ausgespielte Werbung spiegelt idealerweise das Interessen-Profil des Menschen, der sie angezeigt bekommt, wider. Die richtige Botschaft zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Nun stellt sich natürlich die Frage – wie erkennen Unternehmen die Interessen potenzieller Kund*innen?
Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts
Und hier kommen sie ins Spiel: Daten. Sie sind der Rohstoff jedes erfolgreichen E-Commerce-Geschäfts. Um die sogenannten User Profile aufbauen zu können, werden Cookies auf dem Rechner, Smartphone oder Tablet gespeichert und so die persönliche Customer Journey aufgezeichnet. Den Konsument*innen ist meist gar nicht bewusst, wie viel Persönliches sie mit jedem Klick auf Cookie Banner preisgeben. Demografische Daten wie Alter, Geschlecht und Einkommen, aber auch Hobbies sowie das Kaufverhalten bilden die Basis für den gläsernen Menschen im Netz.
Grenzschutz DSGVO
Beim Tracking von Internetnutzer*innen haben Unternehmen allerdings nicht völlig freie Hand. Mit der DSGVO hat die Europäische Union verschärfte Regeln für den E-Commerce aufgestellt. So müssen Unternehmen das aktiv gegebene Einverständnis der Nutzer*innen einholen, um Aktivitäten tracken zu können – in Form der bekannten Cookie-Banner. Die Nutzer*innen sitzen im Endeffekt also am längeren Hebel: Ohne ihre Zustimmung gibt es keine individualisierte Werbung oder Produktvorschläge.
Interview Dr. Axel Anderl, LL.M. & Alona Klammer, LL.B. (WU) LL.M. (WU)
- Was muss sich für den tatsächlichen Schutz personenbezogener Daten in Bezug auf Programmatic Advertising ändern?
Es muss nachvollziehbar evaluiert werden, woher die erforderlichen Daten für Programmatic Advertising stammen, wer für ihre Verarbeitung datenschutzrechtlich verantwortlich ist und in welchem Umfang die Daten durch die unterschiedlichen Akteur*innen verarbeitet werden dürfen. Werden die Nutzer*innen in klarer und verständlicher Weise transparent über den Prozess aufgeklärt, können sie eine informierte Entscheidung treffen, ob sie am Programmatic Advertising teilnehmen wollen oder nicht.
- Sollten Unternehmen in Zukunft verstärkt auf First-Party Daten setzen?
Unternehmen werden nicht auf die ausschließliche Verwendung von First-Party Daten zurückrudern. Insbesondere das Programmatic Advertising hat sich mittlerweile in der Praxis so fest etabliert, dass viele Unternehmen es nicht mehr wegdenken können. Um in der Zukunft jedoch weiterhin auf Second- und Third-Party Daten setzen zu können, müssen die Prozesse besser evaluiert und Betroffene transparent aufgeklärt werden. Schließlich empfinden viele Websitenbesucher*innen ein personalisiertes Erlebnis angenehmer, als wenn ihnen Werbung ausgespielt wird, die sie nicht interessiert.
- Stichwort „cookieless future“ – wie sieht die Entwicklung von Programmatic Advertising in den nächsten Jahren aus?
Da Cookies schon seit längerer Zeit mit negativer Kritik behaftet sind, kann ich mir eine „cookieless future“ sehr wohl vorstellen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es keine Möglichkeit mehr geben wird, Besucher*innen zu analysieren und das Websiteerlebnis zu personalisieren. Schließlich sind die Konsument*innen heutzutage daran gewöhnt, gratis Inhalte online konsumieren zu können. Die Finanzierung über Werbung ist daher ein Schlüsselfaktor, um Onlineangebote weiterhin aufrechtzuerhalten.
Über
Dr. Axel Anderl, LL.M., ist Managing Partner und Leiter der IT/IP, Datenschutz sowie der Digital Industries Group bei DORDA Rechtsanwälte GmbH. E-Mail: [email protected]
Alona Klammer, LL.B. (WU) LL.M. (WU), ist Rechtsanwaltsanwärterin in der IT/IP, Datenschutz sowie der Digital Industries Group bei DORDA Rechtsanwälte GmbH. E-Mail: [email protected]
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Titelbild von Mohamed Hassan